Der vorliegende Stoff Melia im Farbton Saffron ist ein klassischer Wax Print des niederländischen Herstellers Julius Holland.
Das Material besteht zu 100% aus Baumwolle und hat – Überraschung – nix mit Wachstüchern gemein. Der Begriff Wax Print gibt lediglich einen Hinweis auf den Druckprozess. Die Muster werden nämlich mit so genannten Wachsschablonen aufgebracht. Dort, wo die Vorlage auf dem Stoff liegt, kann die Farbe nicht eindringen. Entfernt man die Vorlage und druckt erneut, können Farben gemischt und auch bisher farblose Bereiche erreicht werden. Charakteristisch für Wax Prints sind satte Farben und klare Muster (geometrisch, organisch, symbolisch), die auf beiden Stoffseiten gleichermassen sichtbar sind. Eine weitere Eigenart ist, dass die Stoffe nur ca. 120cm breit liegen. Das ist herstellungsbedingt, da die Wachschablonen nur endlich gross sein können.
Viele Menschen verbinden Wax Prints, also die bunten, ausdruckstarken Stoffe mit Afrika. Und das ist eine korrekte Assoziation – gerade in Ländern wie Nigeria, Ghana, Kamerun oder der Elfenbeinküste sind diese Stoffe überaus populär. (Kleine Zwischenbemerkung: Afrika an sich gibt es nicht. Jedes Land, jede Gegend ist kulturell einzigartig. Dennoch verwende ich der Einfachheit halber die Begriffe Afrika vs. Europa.) Unser Hersteller produziert vor allem für den afrikanischen Markt, aber eben nicht nur. Die Muster sind – entgegen anders lautender Gerüchte – nicht ‚traditionell afrikanisch‘. Das, was auf den Stoffen abgebildet ist, kann besser als folkloristisch Mix bezeichnet werden. Farben, Mustern und Trends – alles fliesst seit jeher in diese Stoffe ein.
Aber dürfen Nichtafrikaner:innen diese Stoffe kaufen/verarbeiten/tragen?
Eine gute und wichtige Frage. Wir leben glücklicherweise in einer Zeit, in der wir uns nicht mehr gedankenlos bei anderen Kulturen bedienen, sondern über unsere Konsum nachdenken. Im Fall der Wax Prints ist der Fall aber anders gelagert, als man vermuten könnte. Diese Stoffe kommen ursprünglich nicht aus Afrika. Die Technik mit den Wachsschablonen wurde im 18. Jahrhundert von niederländischen Kaufleuten bei indonesischen Batik-Stoffproduzenten ‚abgeguckt‘ und nach Europa gebracht. Die ostasiatischen Muster gefielen den ‚Industriespionen‘ aber weniger. Ursprünglich wollten die Handelstreibenden ihre Wax Prints dann nach ihrer industriellen Herstellung in europäischen Druckereien wieder nach Ostasien bringen, um sie dort (natürlich mit Gewinn) an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Doch der Plan scheiterte, die Vorfahren der heutigen Indonesier:innen interessierten sich nicht so sehr für die bunte Massenware made in Holland. Irgendwie faszinierend, wie sich bestimmte Abläufe wiederholen. Fast Fashion und Massenware wurden schon vor langer Zeit kritisch beäugt.
Etwas später, im 19. Jahrhundert, öffnete sich mit der Kolonialisierung Afrikas ein neuer, gigantischer Markt für Stoffe. Den christlichen Kolonialherren war viel daran gelegen, dass sich die Bevölkerung (entsprechend der europäischen Kleiderordnung) verhüllte. Man bot ihr unter anderem eben auch im grossen Stil Wax Prints an, die nun vor allem in Holland und auch England hergestellt wurden. Endlich ging die Strategie auf, die afrikanischen Kund:innen bescherten den Wax-Print-Produzenten gute Umsätze. Die Hersteller betrieben vor Ort sogar eine Form der Marktforschung und sammelten traditionelle afrikanische Motive und Sujets, um ihre Ware noch attraktiver machen zu können. Aus heutiger Sicht ein Marketing-Coup mit einem sehr fragwürdigen Beigeschmack. Es ist aber wichtig, diese Zusammenhänge zu verstehen.
Wenn Europäer:innen nun Wax Prints tragen, handelt es sich eher um eine Cultural Appreciation, als um eine Appropriation. Die Stoffe unterscheiden sich sehr vom sonstigen Allerlei und sind seit vielen Jahren auch regelmässig auf den Laufstegen der grossen Modemetropolen anzutreffen. In den letzten Jahrzehnten haben einige afrikanische Stoffproduzenten mit der Herstellung begonnen. Nach wie vor liefern aber vor allem holländische Hersteller den Löwenanteil an Wax Prints.