Hast du schon an einem echten Meisterwerk gearbeitet? Vielleicht an einer auf deine Masse geschneiderten Bluse oder an einem Blazer? Dann hast du sicher schon ein Nesselteil genäht. So nennt man ein Versuchsstück, bei dem es vor allem darum geht, die Passform des Schnittes zu überprüfen und mit der eigenen Figur in Einklang zu bringen. Es ist aufwändig, eine Extrarunde einzulegen, aber es lohnt sich.
Für diese Art von Testlauf benötigt man keinen extrem hochwertigen Stoff, ist ja klar. Im Idealfall sollte das Material von seiner Schwere und Haptik her dem späteren ‚guten‘ Stoff entsprechen. Da die Massteile in der Regel aus Webware bestehen, reicht aber meist ein simpler Calico. Calico, so nennt man einen Baumwollstoff in Leinwandbindung, der ohne viel Chichi und Tamtam auskommt. (Calico ist eine Abwandlung des Namens einer indischen Stadt, wo das Material in früheren Jahrhunderten typischerweise herkam, aber das nur am Rande.) ‚Unser‘ Nesselstoff bzw. unsere ‚Moulure‘ ist also aus ungebleichter Baumwolle.
Übrigens: Das Wort ‚Nesselstoff‘ ist etymologisch interessant. Es verweist auf die Tatsache, dass man die Probestücke früher auch gerne aus Nesselgeweben genäht hat. Nesselstoffe waren günstiger als Baumwollstoffe. Dazu passt auch, dass man im englischsprachigen Raum ein Teststück als Musslin bezeichnet. Auch dort steht wieder das eingesetzte (sehr günstige) Material im Vordergrund: Gaze/Gauze oder Musselin – es gibt viele Namen und diverse Schreibweisen für den sehr locker gewebten Stoff.